Land und Leute

Überblick

Die Volksrepublik Bangladesch im Nordosten des Indischen Subkontinents ist eines der ärmsten Länder Asiens, mit einer sehr hohen Bevölkerungsdichte von geschätzten 161 Millionen auf 147.570 km² Fläche (über 1000 Menschen pro km²). Der Name des Staates bedeutet "Land der Bengalen" (bangla "bengalisch" und desh "Land"). Das durchschnittliche Pro-Kopf-Jahreseinkommen beträgt 678 US $, die durchschnittliche Lebenserwartung ca. 65 Jahre, die Säuglingssterblichkeit liegt über 5%.

Die Hauptstadt und größte Stadt des Landes ist Dhaka. Der überwiegende Teil der Bevölkerung (74,5%) lebt in den meist ‚unterentwickelten' ländlichen Gebieten und verdient den Lebensunterhalt mit landwirtschaftlichen Tätigkeiten. Das Land produziert ca. ein Drittel des weltweiten Bedarfs an Jute. Weitere Exportprodukte sind Textilien und Bekleidung (Anteil von über 75% der Exporte), Leder, Tee und Shrimps. Die wichtigste landwirtschaftliche Kulturpflanze ist der Reis, der im Nassreisanbau in bis zu drei Anbauperioden pro Jahr kultiviert wird.

In der Region herrscht subtropisches Monsunklima, mit einer intensiven Regenperiode zwischen Mai/Juni bis September, während der es immer wieder zu verheerenden Überschwemmungen kommt. Zudem wird Bangladesch oft von verheerenden Zyklonen heimgesucht.

Bangladesch ist mit vielen sozialen Problemen konfrontiert. Knapp 50% der Bevölkerung sind als moderat arm oder extrem arm klassifiziert und leben unterhalb des Existenzminimums, d.h. sie verfügen über nicht genügend Einkommen, um sich ausreichend zu ernähren, und ihre Behausungen sind oft nicht wind- und wetterfest. Sie haben keinen oder nur beschränkten Zugang zum Gesundheitswesen, und können sich Bildung oft nicht oder nicht für alle Kinder leisten. Besonders die städtischen Armen haben meist keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser und Hygieneeinrichtungen wie Toiletten oder Duschen. Für Jugendliche aus armen Familien gibt es kaum Ausbildungsmöglichkeiten. Zudem wird den Armen aufgrund ihrer mangelnden Bildung und der weit verbreiteten Korruption oft der Zugang zu sozialen und staatlichen Leistungen verwehrt. So haben sie kaum eine Chance, die Armut aus eigener Kraft zu überwinden.

Ein weiteres Problem ist die soziale Diskriminierung von ethnischen und religiösen Minderheiten. Auch wenn sich der Staat an der Oberfläche multikulturell präsentieren möchte, so werden Hindus, Christen, Buddhisten sowie Angehörige von kleinen ethnischen Gruppierungen (Adhivasis) gezielt benachteiligt und aus ihren gewohnten Siedlungsgebieten verdrängt bzw. hohem Assimilierungsdruck seitens des Mainstreams ausgesetzt. Oftmals trauen sie sich nicht mehr, ihre eigene Kultur offen zu leben. Diese Gruppen sind politisch und kulturell unterrepräsentiert, der Zugang zu öffentlichen Ämtern ist ihnen oft verwehrt. Hindus machen 9% der Gesamtbevölkerung aus, Christen 1%, alle weiteren Gruppen weniger als 1%.

Die am meisten sozial diskriminierte Gruppe sind jedoch die Frauen. Sie werden durch gängige gesellschaftliche Moralvorstellungen, die auf überlieferter Tradition und den Einflüssen von Islam und Hinduismus basieren, oft als dem Mann nachgeordnet betrachtet und behandelt. Je weiter unten sie auf der sozialen Rangleiter stehen, desto größer ist ihre Benachteiligung, was den Zugang zu Bildung, medizinischer Versorgung, ausreichender Ernährung, gesetzlicher und politischer Repräsentation, sowie ökonomischer Teilhabe betrifft. Die grundlegenden Menschenrechte wie das Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit werden oft missachtet und Frauen als das persönliche Eigentum der männlichen Haushaltsvorstände betrachtet. Bangladesch ist eine stark patriarchalisch strukturierte Gesellschaft. Die vielen Gesetze, die es zum Schutz der Frau gibt, werden nicht umgesetzt. Zudem ist der soziale Druck auf Frauen extrem, so dass sie sich oft nicht trauen, ihre Rechte vor Gericht einzuklagen. Besonders benachteiligt sind alleinstehende, verwitwete, geschiedene oder von ihren Männern verlassene Frauen, denen abgesehen von ihrer prekären wirtschaftlichen Situation (da der Hauptverdiener fehlt) noch ein Stigma anhaftet. Die soziale und ökonomische Stärkung und Förderung von Frauen und Aufklärungsarbeit zu Frauenrechten sind daher seit über 10 Jahren der Kern der Arbeit von MATI.

Unsere Projektstandorte im Norden Bangladeschs: Distrikte Mymensingh und Sherpur

Die Stadt Mymensingh liegt im zentralen Norden von Bangladesch, im Distrikt Mymensingh. Die offizielle Einwohnerzahl laut Stadtverwaltung liegt bei 375.000. Geschätzt wird die Einwohnerzahl aber auf ca. 500.000. Grund hierfür sind die vielen Zuwandererfamilien vom Land, die nicht offiziell registriert sind. Die Landflucht in Bangladesch ist hoch. Viele Familien verlassen die Dörfer und kommen in die großen Städte, in der Hoffnung hier Arbeit zu finden. Diese Hoffnung erfüllt sich meistens nicht. So landen sie schnell in Slums oder slumähnlichen Verhältnissen, wo sie am absoluten Existenzminimum leben. Das durchschnittliche Familienjahreseinkommen(!) einer solchen Familie liegt bei 200 €. Gerade in den Stadtrandgebieten leben viele dieser Familien.

Mymensingh ist charakterisiert durch sein großes Bildungsangebot, u.a. befindet sich hier die größte landwirtschaftliche Universität des Landes, und durch die Menge an Rikschas, da es noch recht wenig privaten Autoverkehr gibt. Die Stadt ist ein altes Zentrum der Hindu-Kultur, viele Geschäfte im Bazar-Bereich gehören Hindus.

Abgesehen von einem Elektrizitätswerk gibt es keine nennenswerte Industrie. Die Arbeitsmöglichkeiten im Kleingewerbe und Dienstleistungsbereich machen den größten Teil der besseren Verdienstmöglichkeiten aus. Für die armen Schichten bleibt vor allem Tagelöhnerarbeit als Rikschafahrer, Lastenträger oder Bauarbeiter. Frauen arbeiten vor allem als Hausangestellte. Aber auch die Landwirtschaft spielt eine nicht unerhebliche Rolle als Einkommensquelle für die BewohnerInnen der Stadtrandgebiete. Mymensingh liegt an einem Seitenarm des Brahmaputra. Gerade das Schwemmland des Flusses, die sogenannten Char-Areas, wird von armen, landlosen Familien als Anbauland verwendet. Auf der der Stadt gegenüberliegenden Flussseite leben viele Angehörige der ethnischen Minderheiten der Pochima und Harijan, die auf dem fruchtbaren Schwemmland Gemüseanbau betreiben, in der Regenzeit aber ohne Auskommen und teilweise auch ohne Wohnsitz sind.

Die landlose Stadtbevölkerung leidet unter den Preissteigerungen für Nahrungsmittel immer extrem, da sie keine Subsistenzwirtschaft betreiben kann. In den "offiziellen" Slums, in denen die BewohnerInnen Miete für ihre Behausungen zahlen, können sie noch nicht einmal Tiere halten, da der Vermieter dies meist untersagt und sie keinen Platz haben, die Tiere nachts unterzubringen. Viele BewohnerInnen leiden unter einer schlechten Gesundheit, verursacht durch Mangel- und Fehlernährung, sowie mangelnde Hygiene. Durchfallerkrankungen, Typhus und Wurmbefall sind immer noch häufig anzutreffende Probleme. Frauen leiden, bedingt durch zahlreiche Geburten und schlechte Ernährung, häufig an Anämie. Kinder kommen mit niedrigem Geburtsgewicht auf die Welt und sind anfällig für viele Vitaminmangelkrankheiten wie beispielsweise Rachitis, oftmals fehlen ihnen die Basisimpfungen.

Die ländlichen Projektregionen von MATI befinden sich im mittleren Norden Bangladeschs in den Distrikten Mymensingh und Sherpur (Borobilerpar und Azmotpur sowie Huzurikanda), nur ca. 40 km von der indischen Grenze entfernt. Sie ist charakterisiert durch die Dominanz des Landwirtschaftssektors, dem Fehlen von erwähnenswerter Industrie und industriellen Arbeitsmöglichkeiten, der traditionellen Gesellschaftsstruktur und der Armut eines sehr großen Teils der ländlichen Bevölkerung; in den Mati-Projektgebieten leben 90% der Bevölkerung unter der von UN und Weltbank definierten Armutsgrenze von 1,25 US$ am Tag.

Das Hauptanbauprodukt der Region ist Reis, welcher im Nassreisanbau in drei unterschiedlichen Anbauperioden über das ganze Jahr hindurch angebaut wird. Auch wenn die Landwirtschaft die wichtigste Einnahmequelle in der Projektregion ist, besitzen viele Kleinbauern nicht genug eigenes Land, um ihre Familien zu ernähren. Sie sind gezwungen, als Pächter Land hinzu zu pachten oder als Tagelöhner auf dem Land besser gestellter Landbesitzer zu arbeiten. Häufig befinden sie sich in großer Abhängigkeit von Großgrundbesitzern; die meisten Kleinbauern sind hochgradig verschuldet.

Die Möglichkeiten, eine Arbeit außerhalb der Landwirtschaft zu finden, sind in der Projektregion sehr eingeschränkt. Es gibt kaum nennenswerte Industrie im Großraum Mymensingh. Für besser bezahlte Tätigkeiten im Kleingewerbe und dem Dienstleistungsbereich wird eine fundierte Ausbildung verlangt, die für unterprivilegierte Familien zu teuer ist.

Die industrielle Entwicklung, die hauptsächlich im Textil- und Bekleidungssektor in den letzten Jahren und Jahrzehnten in Bangladesch stattgefunden hat, beschränkte sich überwiegend auf die großen städtischen Zentren und ihr Umfeld wie Dhaka und Chittagong. Die Mati-Projektregionen im Norden des Landes konnten von der wirtschaftlichen Entwicklung nicht profitieren.

Verursacht durch die wirtschaftlichen Probleme, leiden viele Menschen in der Projektregion unter einer schlechten Gesundheit, verursacht durch Mangel- und Fehlernährung, sowie mangelnde Hygiene (s.o.). Die medizinische Versorgung für die Landbevölkerung ist mangelhaft, und selbst in der Stadt, wo theoretisch Zugang zu medizinischer Versorgung besteht, werden Arme in den überlasteten Krankenhäusern grundsätzlich zuletzt behandelt - oft ist es dann bereits zu spät.

Quellen: Eigene Untersuchungen von MATI Bangladesch, wikipedia, CIA factbook.

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MATI e.V.
Postfach 4162
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E-Mail: mati-deutschland@web.de


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